Zentrale Ziele für eine europäische Donau
Der Ausbau eines ökologisch-naturverträglichen Hochwasserschutzes:
- Reaktivierung von grossflächigen Retentionsräumen in den Deichvorländern
- Schaffung von neuen Auwäldern
Das außergewöhnliche Hochwasser an der Donau im Juni 2013 gibt Anlass zu folgenden zukunftsrelevanten Fragestellungen:
- Welche Handlungsspielräume sind uns gegeben?
- Welche Prioritäten sind zu setzen, um einen effektiven, naturnahen Hochwasserschutz aufzubauen?
- Wie kann der Hochwasserschutz in Einklang mit Naturschutz und dem Schutz von Siedlungen realisiert werden?
Raum für den Fluss
Kartenmaterial und Luftbildaufnahmen von einem Donau-Hochwasser im Jahr 2010 zwischen Niederalteich und Winzer im Landkreis Deggendorf zeigen anhand des überfluteten Gebietes, welchen Raum die Donau mindestens benötigt, um der Dynamik eines Fließgewässers zu entsprechen.
Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) unterstreicht die große Bedeutung des naturnahen Hochwasserschutzes:
Natürliche oder naturnahe Auen verändern den zeitlichen Ablauf des Hochwassers durch die Bremswirkungen der Vegetation und die Rauheit der Geländeoberfläche, und sie können große Wassermengen aufnehmen. Hochwasserwellen können dadurch deutlich abgeflacht und verzögert werden.
(Bundesamt für Naturschutz)
Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) schafft feste Vorgaben für eine „gute ökologische Beschaffenheit“ der Fließgewässer und ihrer abhängigen terrestrischen Lebensräume. Mit den folgenden Fließgewässer-Renaturierungen kann der natürliche Hochwasserschutz seine entsprechenden Funktionen erfüllen. Diese führen bei Hochwasserereignissen zu einer deutlichen Absenkung des Hochwasserscheitels durch Synergieeffekte.
Projekte
Auwald
Die Etablierung neuer großflächiger Auenwald-Bereiche (Hubert Weinzierl, 2010, Präsident des Deutschen Naturschutzringes) stellen natürliche Wasserrückhalteräume für einen wirkungsvollen Hochwasserschutz dar.
Auen-Revitalisierung als natürlicher Regenwasserspeicher – aufgrund von Interzeption, Bodenbeschaffenheit und abfluss-verlangsamender Wirkung.
Bäume fangen besonders viel Wasser ab, das als Interzeption hängen bleibt und von dort direkt in die Luft diffundiert. In der gemäßigten Zone werden im Laubdach 15 – 30 % des Niederschlages zurückgehalten und weitere 5 – 20 % (durchschnittl. 10 %) im Unterwuchs des Waldes.
Der restliche Teil des Regenwassers versickert im Auenboden, wobei in der Pflanzenmasse wieder ein Großteil gespeichert ist → 75% der Grünmasse und 50 % der Holzmasse bestehen aus Wasser. Anhand dieser Niederschlagsbilanz lässt sich die Bedeutsamkeit des Auwaldes für einen wirksamen Hochwasserschutz aufzeigen.
„Die Revitalisierung von Auwald-Resten kann nur gelingen, wenn durch Rückverlegung der Deiche ausreichend Raum für diese gewässernahen Strukturen bereitgestellt wird.“
Eva Schubert, LBV, Projektbearbeiterin Quellschutz in Bayern
Darstellung der Blätterkrone eines Auwaldes und Interzeption als bedeutenden Faktor für den Hochwasserschutz
Altwasser
Reaktivierung der Altwasser und Neukonzeptionierung für die Anlage von neuen flussbegleitenden Altwasserarmen an der Donau mit umfangreichen Retentionsräumen
Uferabsenkung
Rückbau der Uferverbauung und Uferabsenkung durch Oberbodenabtrag, bei geeigneten Verhältnissen bis auf den anstehenden Kies; diese Absenkung des Deichvorlandes entspricht einem gewaltigen Retentionsvolumen – siehe SZ-Berichte über renaturierte Isar in München.
Deichrückverlegung
Deichrückverlegung mit der Zielsetzung zur Wiederherstellung der natürlichen Wasserverhältnisse „nachdrücklich plädierte Niederbayerns MdEP Manfred Weber bei seinen Parteifreunden dafür, die Hochwasserdeiche an der Donau zurück zu verlegen, um dem Fluss mehr Raum zu geben und um Pufferbereiche zum Abfedern des Hochwasserscheitels zu haben.“ (PNP, 14.05.09)
Wiedervernässung
Wiedervernässung auf ausgewiesenen extensiv genutzten Wiesenflächen, die bei Hochwasser überflutet werden – gleichzeitig dienen diese Flächen als Wiesenbrütergebiete.
Lebensraumtyp
Förderung von Stromtalwiesen, die lange Überschwemmungszeiten und starke Trockenheit ertragen. Zu den in Deutschland auf wenige Gebiete beschränkte Verbreitung gehört die niederbayerische Donau unterhalb Regensburg. Dieser nach der FFH-Richtlinie der Europäischen Union geschützte Lebensraumtyp ist als wertvolle naturnahe, artenreiche Feuchtwiese in ein Naturschutz-Planungskonzept miteinzubeziehen.
Uferrandstreifen
Uferrandstreifen-Programm, das bereits in den 80ziger Jahren verankert wurde, bundesweit Anwendung findet und besonders an den Zuflüssen in Verbindung mit Bach-Renaturierungen und Fliessgewässer-Aufweitungen zu einer Verlangsamung des Abflusses beiträgt. Eine weitere Funktion besteht im Rückhalt von Schadstoffen und Sedimenten.
Ausgewählte Zielgebiete
- Insel Wörth bei Pleinting: Uferabsenkung + Tieferlegung
- Gries bei Hofkirchen: Uferabsenkung + Wiedervernässung -Wiesenbrütergebiet
- Stephansposching: Wiedervernässung + Wiesenbrütergebiet
- Niederalteich Höhe Gundelau zwischen Fluss und Damm Uferabsenkung + Tieferlegung
- Winzerer Letten: Gebiet zwischen Fluss und Damm: Uferabsenkung + Tieferlegung
- Zeitldorf: Uferabsenkung + Tieferlegung
- Gebiet zwischen Entau und Irlbach zwischen Damm und Fluss: Uferabsenkung und Tieferlegung
- Niederbayerisches Vilstal
Natürlicher Hochwasserschutz für die ausgewählten Zielgebiete am Beispiel der niederbayerischen Vils
vereinfachte Darstellung quer zum Flussufer:
Es bietet sich jetzt die Chance, die seit Jahrzehnten geforderten Maßnahmen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes, die den Flüssen wieder mehr Raum gibt, zu verwirklichen. Ein Redynamisierungskonzept bietet sich im Rahmen des Hochwasserschutzes an, die Deichsanierung mit der Deichrückverlegung zu koppeln und damit mehr Retentionsflächen zu gewinnen. Zusammen mit dem Hochwasserschutz sind flussbauliche Maßnahmen zu ergreifen, um eine artenreiche Flusslandschaft mit natürlicher Dynamik und Auen- und Überflutungsbereichen wiederherzustellen.
Rudolf Fahrer, Deggendorf, PNP 24.07.2013
Wassereinzugsgebiet Vilstal
Das Vilstal in Niederbayern zeigt wie wichtig es ist, das gesamte Wassereinzugsgebiet eines Flusses zu berücksichtigen.
Naturnahe Uferbereiche und Gewässerrandstreifen sind dabei als Teil eines natürlichen Hochwasserschutzsystems zu betrachten und erfüllen neben ihrer Sicherungsfunktion auch die Aufgaben von Biotopverbundachsen.
Blume des Jahres 2018: Der Langblättrige Ehrenpreis
Als sogenannte Stromtalpflanze findet seine Ausbreitung über das Wasser statt – das ist natürlich nur dort möglich, wo der Fluss nicht verbaut wurde und Raum hat, über die Ufer zu treten.
Wo der Langblättrige Ehrenpreis (Veronica maritima) noch vorkommt, säumt er in einem leuchtenden blau-lila Band die sommerlichen Ufer unserer großen Flüsse. Dort lebt er zusammen mit unglaublich vielen anderen, hochspezialisierten Tier- und Pflanzenarten wie dem Braunkehlchen, der Rotbauchunke und dem Wiesen-Alant. Hier pulsiert das Leben. Doch der Mensch lässt den Flussauen immer weniger Raum. In Deutschland sind bereits 2/3 der ehemaligen Überschwemmungsgebiete verloren gegangen. Dabei sind sie auch für den Hochwasserschutz und als CO2-Speicher von großer Bedeutung. Flussauen verdienen einen besonderen Schutz. LOKI SCHMIDT STIFTUNG
Eine zentrale Stellung im natürlichen Hochwasserschutz kommt dem Bodenwasserhaushalt im Einzugsgebiet zu. Das Abfließen von Wasser ist in natürlich aufgebauten, humusreichen Systemen besonders gut geregelt. Eigenschaften wie Bodenstruktur, Bodenbearbeitung und Bodenbewuchs wirken sich auf die Wasseraufnahmefähigkeit und die Wasserrückhaltefähigkeit deutlich aus.
Bedeutung der Bodenstruktur
Wasseraufnahmefähigkeit von verschiedenen Böden in einer vereinfachten Darstellung
Die relative Fähigkeit von Böden Wasser zu speichern, nimmt in der Reihenfolge Wald, Dauergrünland, ökologischer Acker- und Futterbau, konservierende Bodenbearbeitung und schließlich konventioneller Ackerbau von 100% > 78% > 35%> 27% > 20 % > bis auf 16% ab. (aus: Kommission Bodenschutz beim Umweltbundesamt (KBU))
Zu den Hauptfaktoren der Wasseraufnahmefähigkeit zählen
– Bodenbedeckung
Vorrangig bestimmt die Art und Dichte des Pflanzenbewuchses neben der Geländeneigung die Abflussmenge. Humusreiche Böden mit Streuauflage wie sie unter Auwäldern anzutreffen sind speichern besonders viel Wasser, da durch Bodenlebewesen eine stabile Bodenstruktur mit einem Netz von feinen Poren und Kapillaren aufgebaut wird, in denen Wasser in die Tiefe versickern und gebunden werden kann.
– Bodenbearbeitung
Die Art der Bodenbearbeitung wirkt sich auf sämtliche Bodeneigenschaften aus, wie u.a.:
positiver Einfluss auf die Wasserleitfähigkeit unter insbesondere gesättigten Bedingungen zwischen dem Oberboden und dem Boden in der Tiefe (unter der Pflugsohle)
erleichterte Wasserinfiltration und höhere Infiltrationsgeschwindigkeit bei biogenem Porenvolumen und Mulch an der Bodenoberfläche gegenüber einem geringen Strukturporenvolumen, das zu Verschlämmung neigt.
INFO Bodenmanagement
• Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF)
Das Programm: boden:ständig ist ein bayernweit bedeutendes Instrument zur Förderung von fachübergreifendem Flächen- und Gewässermanagement als neuen Ansatz im Hochwasserschutz.
• Je gesünder der Boden, desto
– höher die Wasseraufnahmefähigkeit bzw. die Wasserspeicherkapazität → Hochwasserschutz!,
(aus: Einladung zum 4. Bodentag 2019, ‚Interessengemeinschaft gesunder Boden‘)
• Pfluglose Bodenbearbeitung
– veränderte Bodenbearbeitung als Hochwasserschutz → Nährstoffkreisläufe – Minimalbodenbearbeitung – Sepp Braun/Biolandbau
• Versickerungsversuch
– Ein Infiltrationstest von IG gesunder Boden zeigt auf youtube eine entsprechende Versickerung von 120 l Wasser pro m² und Stunde.
Bei folgenden Zahlenwerten spricht der Deutsche Wetterdienst (DWD) von Starkregen:
15 – 25 Liter pro qm in 1 Stunde (Markante Wetterwarnung)
> 25 Liter pro qm in 1 Stunde oder > 35 Liter pro qm in 6 Stunden (Unwetterwarnung).
Platzregen und Wolkenbruch werden auch zur Kategorie des Starkregens gezählt.
D.h. eine intakte Bodenstruktur mit Regenwurm-Kanälen kann noch weitaus höhere Regenwassermengen aufnehmen. Es zeigt sich die Wichtigkeit des biologischen Landbaus, der mit den Ökosystemfunktionen des Bodens bewusster umgeht und eine bedeutende Wasserinfiltration mit hohen Zahlenwerten vorzuweisen hat. Dies unterstreicht seine zentrale Stellung im Hochwasserschutz, umso mehr bei flächenhafter biologischer Bewirtschaftung.
Ein vitaler Boden in Verbindung mit Gewässerrandstreifen und begleitenden Auwäldern führt zu einem natürlichen Hochwasserschutz. Dies verdeutlicht auch ein Auszug aus dem PNP-Gespräch mit dem IG-Gründer Franz Rösl:
Ein Netzwerk zum Wohle des Bodens
…
– Sind ausgezehrte Böden auch Ursache für Hochwässer?
Rösl: An vielen Stellen werden jetzt Regenrückhaltebecken gebaut, zum Beispiel eine Badewanne für bis zu 48 Millionen Kubikmeter Wasser – ich spreche von den Poldern bei Regensburg. Das ist für mich unfassbar.
– Ist das kein Hochwasserschutz?
Rösl: Ein wasseraufnahmefähiger Boden ist auch ein Parameter für gesunden Boden. Man wird Flächen finden mit einer Infiltrationsleistung von 20 Millimetern und andere, in denen bis zu 100 Millimeter versickern können. Wenn man die Differenz berechnet kommt man auf gigantische Summen ab Regenrückhaltebecken, die benötigt würden. …
(PNP, September 2018)
Lebendiger Hochwasserschutz an Flüssen in Ostdeutschland
Wir weisen darauf hin, dass in Deutschland bereits zwei Pilotmodelle existieren, die in den Medien als „Leuchtturmprojekte“ im Bereich des natürlichen Hochwasserschutzes bezeichnet werden. Das Projekt Mittlere Elbe wurde frisch Ende 2018 fertig, das Projekt Lenzener Elbtalaue wird im April 2019 beendet.
Naturschutzgroßprojekt Mittlere Elbe mit Steckby-Lödderitzer Forst als Keimzelle
Der Film zeigt mit beeindruckenden Bildern die Wasserwälder der Mittleren Elbe
Naturschutzgroßprojekt Lenzener Elbtalaue mit Hoher Garbe, ein Teilstück des Biosphärenreservats Flusslandschaft Elbe-Brandenburg
Das ‚MediAN-Projekt‘ auf 150 Stromkilometer Länge im UNESCO-Biosphärenreservat ‚Flusslandschaft Elbe‘ von der Havelmündung bis nach Lauenburg und einer Laufzeit von 2017-2023 bezieht sich auf die Mechanismen der Ökosystemleistungen Klima- und Hochwasserschutz von Hartholz-Auenwäldern und deren wissenschaftliche Erforschung.
Im Nationalpark Unteres Odertal besteht deutschlandweit modellhaft eine naturnahe Polderlandschaft, die regelmäßig überflutet wird. In dieser Kultur- und Naturlandschaft existiert eine funktionierende Kombination von touristischer Attraktivität und Hochwasserschutz.
Informationsquellen
• Universität Hohenheim → Fachgebiet für Landwirtschaftliche Betriebslehre → landwirtschaftlicher Hochwasserschutz → Maßnahmen für das Wassermanagement und ihre Integration in die räumliche Planung → 10 Steckbriefe (AMEWAM)
• AMEWAM — Intelligente Landwirtschaft kann Hochwasser schon im Vorfeld eindämmen.
• Umweltbundesamt (UBA) → ein Positionspapier: Böden als Wasserspeicher. Wie Boden vor Hochwasser schützt.
• Wasser + [und] Landschaft → Arbeitsgrundlage zur Optimierung einer nachhaltigen Landnutzung aus Sicht des Hochwasserschutzes und des Natur- und Landschaftsschutzes. Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) in Zusammenarbeit mit dem Interdisziplinären Ökologischen Zentrum (IÖZ) der Technischen Universität Bergakademie Freiberg
• Büro für Bodenschutz & Ökologische Agrarkultur → Dr. Andrea Beste, Mainz, gesunde-erde.net — Bodenfunktionen
• waldwissen.net — Wald – ein natürlicher und kostengünstiger Hochwasserschutz.
Können Wälder sicheren Hochwasserschutz bieten?
• Youtube: Naturnaher Flussbau und Fischgängigkeit der Flüsse nach Viktor Schauberger – Instream River Training (IRT)